La KaffeehausAvantgarde
Amuse Keule
rad 2012-2
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1- Morgengrauen-Zwiefacher-1:35
2- ChaChaChà du louche-5:04
3- TW-ZW-6:48
4- Intermezzo I: Wirt allui-0:33
5- Groove Inn Keeper-3:07
6- Coltrane auf Cuba-4:56
7- Intermezzo II: frei verfugt-0:53
8- L'Hôte du Mont Ventoux-5:32
9- Salsa Urquell-3:53
10- Intermezzo III: Wirt misslich-0:47
11- Don Pasqualen Kabalen-4:00
12- Valse macabre des cadavres de l'autre Tartuffe-6:03
13- Intermezzo IV: Wirt rapid-0:27
14- Lita?ka dovnit? ven-3:40
15- Marche de l'ambiguïté-7:04
16- Intermezzo V: Morgens um 3, wenn der Veranstalter sagt: Jetzt aber richtig!-0:55
17- Kehraus Zizi Zizania-5:38
18- Making-Of-Zwiefacher-2:07
Jana Mishenina (RUS): Geige
Edgar Herzog (D): Flöte, Bass-Klarinette, Sopran- & Baritonsaxofon
Christophe Schweizer (CH): Posaune, Tuba, Orgel
Henry Altmann (Allgäu): Kontrabass, Sousaphon, Melodica, Stimme, Komposition, Arrangement, Leitung
Yogi Yockusch (D): Perkussion
Stammgäste:
Arturo Martínez Cabrera (CUBA): Perkussion
Dirk-Achim Dhonau (D): Schlagzeug, Marimbaphon
Matthäus Winnitzki (POL): Klavier
Nathalie David (F): Artwork
Jakub Štorek (?): Web-Design
die Bockshörner:
Melv-Uwe Holmer/ Gunnar Kockjoy/ Edgar Herzog/ Christophe Schweizer
Aufnahme/ Mix: Milchkettenmusik Hamburg
Digitale Änderungsschneiderei: Matthias Tkotz
Mastering: FWL-Studio Leipzig
Produktion: Henry Altmann
Die Titelnamen klingen genauso eigenartig wie die Musik selbst und wie die Aussagen darüber. Die Mitglieder und Gäste des La-KaffeehausAvantgarde-Pools zählen zu jenen Outlaws, vor denen weder 4/4-Takt noch Taktlosigkeit sicher ist, international gesucht allesamt, in New York (Christophe Schweizer), der Schweiz (Phillip Schaufelberger, Samuel Rohrer), in Russland (Jana Mishenina), Tschechien (Jakub Štorek), Cuba (Arturo Martínez Cabrera), der ex-DDR (Pascal von Wroblewsky), Frankreich (Nathalie David), in Hamburg (Edgar Herzog, Yogi Yockusch, Dirk-Achim Dhonau), Finnland (Kalle Kalima) oder in Palermo (Henry Altmann), alle bewaffnet bis an die Zähne ihrer Möglichkeiten, genau die Band also, der man bedenkenlos eine harmlose Volksmusik anvertraut.
Gefälligkeit ist ihr Wunsch, Gefährlichkeit die Geliebte. Poetische Passagen,
-musikalische Pistoleros kennen die Einsamkeit gut-, werden von der harten Rhythmus-Realität eingeholt. Die Fahrt durch die variationsreichen Windungen und Wendungen einer Alpenländischen Volksmusik wird zum wüsten Ritt über eine scharf gezackte Gebirgskette, in deren Schluchten die Skelette der französischen Moderne, rhythmische Schrapnells aus Lateinamerika, Improvisation und skurrile Poesie verbleichen. «Hier liegen Sie richtig», wirbt das Begräbnisinstitut.
Carl Orff, Tanz aus Carmina Burana
D’r Wirt vo Stui: Zwiefacher-Variationen
Wer hoats erfunda? Miar! D’r Zwiefache isch nämlich a alte Danzmusi vo de Berg bei ies umanand. Aber weil`r so sche isch, hot’n d’halbe Weald halt au iebernomma. Und so isch dia Cede do id blos ebbas zum Suacha, sondern au ebbas zum Finde; des hoißt m’r heit Inderakdief (und des, wo m’r gar kuin Inder it hond in d’r Band!). In dena Variatione kam ma also hera, wo wer in d’r Wealt vo iserm Zwiefacher g’schtibitzt hot. Zum Beischbiel dia G’schicht mit’m Coltrane und dera Klawe: Denaweag hommer jo an Kubaner, der d’ Rumbakugel rolle losst. Do hot doch der John Coltrane im Urlaub auf Kuba dia Son-Kapelle g’hert und, weil’r no voll war vom Mochito vom Vorobend, uifach id richtig aufg’schrieba, was dia do jetzt genau spielet. Dahui in New York hot er’s denn schpäter als «Große Schritt» verkauft. Dabei hond dia bloß a Generalprob’ fier d’ Carmina Burana vom Carl Orff fier’s Konzerthaus vo’ La Havanna abg’halta, wo jo do so an Zwiefacher dinne isch. Um d’r Weald anhand vo’ G’schichta wia dera zum zoiga, dass letschtendlich alles vom Zwiefacher her kommt, isch d’r Diefdonfacharboiter also aus’m Allgai nabg’schiega zu dena Gelbfiaßler ins nordische Flachland. Und jetzt iabt d’r Trommelmoischter vo’ St. Pauli also scho fleißig, wia ma Sauerkraut und Tango z’ammriert, und ieser tatarische Geigerin ka scho an Tschecha-Tschatscha schbiele. Dem schweizer Posaunischt isch des mit siem Huimvordoil natierlich z’ langweilig worra, und so ischer d’rweil mit siner Tuba Trompeta jaga ganga. Aber ieser Hamburger Saxofonischt, der macht jetzed aus hochalpine Kläng’ scho a richtig abgrieandige Unterhaltungsmusi. Denaweag hot freile ieser franzesische Kienschtlerin no lang kui Dirndl id azieah wella!
Zwiefacher-Schrittschema:
Der Wirt von Stein: Zwiefacher-Variationen (dt. Übs.)
Der Zwiefacher ist eine alte Tanzmusik aus u.a. dem alpenländischen Raum. Ungerade Rhythmen dieser Art kommen in vielen Teilen der Welt vor, freilich behauptet kein anderes Volk so sehr wie das Allgäuer diesen Irrtum der Musikgeschichte erfunden zu haben. In den Variationen der La KaffeehausAvantgarde wird entlarvt, aus welchen Kulturen die Band sich bedient hat, um das unbedeutende Original interessanter wirken zu lassen.
Schon John Coltrane war durch seine asymmetrischen Improvisationen bekannt; der Posaunist Conrad Herwig ist der Ansicht, das sich die gleichfalls ungerade cubanische Clavéfigur deshalb so gut zur Interpretation Coltrane’scher Musik eignet (à Ben Ratliff: Coltrane, Siegeszug eines Sounds, pp. 217-19). Andere Zungen (vor allem aus dem Allgäu) behaupten, dass der Saxofonist seine Spielweise entwickelte, als er während eines heimlichen Urlaubs auf Castro-Cuba einen über die ex-DDR importierten Zwiefacher kennen lernte. Weil ihn dieser bislang unbekannte Aspekt der lateinamerikanischen Musik interessierte, spielt ein cubanischer Latin-Grammy-Preisträger bei La KaffeehausAvantgarde, ein gelungener Ausdruck kulturübergreifender Integration („du schön Salsalabumm und wir nix, nix Ausländerbehörde!“). Allerdings muss auch festgestellt werden, dass der Hamburger NDR-Bigband-Saxofonist, seit er aus hochalpinen Klängen eine tief schürfende Kunstmus ik schafft, von der Jazzpolizei ausgeschlossen wurde, während die tatarische Geigerin aus Trotz alles grundsätzlich im 5/4-Takt spielt. Der Spitzenklöppler aus dem HipHop-Untergrund von St. Pauli wiederum ist seit seinem ersten (und einzigen) Besuch auf einem Alpengipfel im Höhenrausch und der festen Überzeugung hier nur eine überarbeitete Form Hamburger Kiezlieder zu spielen. Aus Langeweile („Wie? Nur vier Taktarten pro Stück bei Tempo 240?!“) hat der Schweizer Posaunist und New Yorker Jazzstar mit der Tuba im Stratosphärenbereich alle Trompeter verjagt. Der hierdurch ertaubte Allgäuer Bandleader war gezwungen auf Kontrabass umzusteigen und ein Tieftonfacharbeiterdiplom in Palermo zu kaufen. Und immer noch glaubt der tschechische Websiten-Designer seinen Versprechungen, mit dieser Band eines Tages „ganz groß raus zu kommen“. Völlig zu Recht wollte die französische Künstlerin also kein Dirndl anziehen.