The Styrenes

City Of Women

bone 3010-2

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01. Transmogrify (John Morton) 1:38
02. No Means No (Tom Warnick) 2:38
03. Fly Away (Tom Warnick) 2:30
04. Mr. Handsome (Tom Warnick) 2:29
05. Imposter (Tom Warnick) 3:41
06. When I Was Young* (Briggs, Burdon, Jenkins, McCulloch, Weider) 4:51
07. One More (Tom Warnick) 3:44
08. City Of Women (Tom Warnick) 1:51
09. Agitated** (McMahon, Morton, Marotta) 2:01
10. I Am Scared (Tom Warnick) 2:43
11. I Wish I Was High All The Time (Jamie Klimek) 3:42
12. Big Room (Tom Warnick) 4:26

Paul Marotta: vocals, guitar, piano
U.K. Rattay: guitar
Al Margolis: bass, vocals
John Keith: drums, vocals


Paul Marotta ist Frühaufsteher. 5 Uhr 30 und so. Ferner könnte er dem Klischee des wilden Rockmusikers gar nicht sein. Aber das passt schon. Denn auch City Of Women, das neue Album von Marottas Band The Styrenes, ist alles andere als ein Klischee. Die Qualitätsmerkmale für Rockmusik härterer Gangart gelten trotzdem – bzw. erst recht. Hart, rau, garstig, ungewaschen und verlaust, mit schlechtem Atem und gelben Zähnen ist City Of Women ein Rockalbum, wie man es lange nicht mehr gehört hat. Zumal in dieser Qualität.

Die Gitarre schnippelt an den Songkörpern herum, röchelt, keift und spuckt auf den Boden, um im nächsten Augenblick ein blitzsauberes Melodiechen aus dem Ei zu pellen. Bass und Schlagzeug poltern und schaufeln, der Sound ist knochig-drahtig, der Gesang kaputt und hat schon ein paar Schrauben im Kiefer: Der Eric-Burdon/Animals-Klassiker „When I Was Young“ ist kaum wieder zu erkennen, aber ohne das romantische Moment des Originals verblüffend ausdrucksvoll geraten. „Agitated“, im Original von den Electric Eels, grölt Dich hämisch an, „I Wish I Was High“ ist eine gestrichene Schnauze voll vom Leben und „Mr. Handsome“ in Wirklichkeit ein recht unansehnlicher Geselle mit letaler Anziehungskraft. Schlaglichter und lange Schatten, Pillen und Suff, Liebe, Entfremdung und reine Verzweiflung - und Gott bewahre, womöglich erzählen Dir die Songs noch was über Dein Leben! Abgefeimt. Geschrieben hat die meisten der New Yorker Musiker Tom Warnick, der kein Styrene ist. Man kennt sich schon seit Jahren. „Wir hatten mal einen Gig mit Tom und seiner Band, und danach ertappten wir uns dabei, wie wir seine Songs vor uns hin summten statt unseren eigenen“, erzählt Marotta, „also haben wir ein paar davon aufgenommen. Ein typisches Cover-Album eigentlich, nur dass die Songs nicht so bekannt sind.“

Wenn dieser putzige All-inclusive-Trip trotz allem nicht zur individuellen Vorhölle geraten ist, liegt das zum einen daran, dass die Band das ganze Zeug in pure Energie verwandelt. Zum anderen sind die Styrenes „schön alt“. Selbst ihr Jüngster steckt tief in den 40ern und verfügt über genügend Erfahrung, sich einer unmöglichen Mischung aus großstädtischem Rocksong, Kunst-Wave/Art-Punk und Glamrock-Resten mit künstlerischem Bewusstsein zu nähern. „Ich wollte immer mit der Energie des Punk Musik machen, die irgendwie sophisticated ist“, fasst Marotta ein Konzept zusammen, das aufgeht. Keine Fußballchöre, keine platt nostalgischen Provo-Posen und keine Post-Punk-Formeln, sondern etwas Komplexes und wahrhaftiges, das spürbar und denkbar ist. Kaum hat man’s geschnallt, gibt die Platte noch was preis.

Diese Stadt der Frauen mag ein unwirtlicher Ort sein – aber sie ist definitiv am Leben.



All Songs published by Jilmar Music and Rattay Music, except:
* Carbert Music Inc, Little A Music, Unichappell Music Inc
** Jilmar Music, Imitation of Life Music

Produced by Paul Marotta and U.K. Rattay

Mixed in August and September, 2006 by George Evageliou at G E Studio, NYC
and by Jürgen Müller at Pink Noise Studio, Aachen

Recorded by Jimmy Goodman at Leopard Studio, Stone Ridge, NY
Mastered by Michael Schwabe at Monoposto, Düsseldorf

Cover design by Harald Bernhard


The Styrenes – History
Die Styrenes wurden 1975 von Paul Marotta in Cleveland gegründet. Marotta, Pianist und Keyboarder, war zuvor Mitglied der Mirrors, denen er zuvor als Interims-Bassist gedient hatte, nachdem er davor Gitarrist der Electric Eels gewesen war. Unübersichtliche Zustände und sonderliche Namen, die nie wirklich bekannt wurden – am ehesten noch durch eine andere Band aus Cleveland, Pere Ubu, auf deren ausführlicher CD-Werkschau „Datapanik In The Year Zero“ beide Bands vertreten sind: dies ist der Urschlamm der Cleveland-Szene, des Proto-Punk, war post-industrial weit vor „Entdeckung“ des Industrial-Genres und anderem, das Jahre später zu einer veränderten Auffassung von Popmusik führen sollte. Für Hörer, die hier umherstreifen, sind Bands wie die Electrid Eels und Mirrors kultisch verbriefte Legenden. Ihre alte, kaputte, bisweilen feindselige und doch kraftvolle und manchmal erschütternd gefühlvolle Musik, die sich handwerklich jeglichem Bewertungssystem entzieht, steht einsam für sich und ohne Pendant in der Zeit herum. Ein gutes Beispiel dafür, dass Substanz, Innovation und Authentizität zumeist nicht Hand in Hand mit Popularität gehen.

“ Drano In your Veins” war die erste Single der Styrenes, die damals noch Poli Styrene Jass Band hießen, dann The Styrene Band, the Styrene-Money Band – und schließlich Styrenes. Neben Marotta bestand die Band aus Mirrors-Kopf Jamie Klimek (git), Bassist Jim Jones (Ubu-Gitarrist in den achtziger Jahren), dem späteren Feelies-Drummer und Golden-Palominos-Mastermind Anton Fier und Michael Antle, spielte regelmäßig in Cleveland und veröffentlichte weitere selbst produzierte Singles mit idiosynkratischem Punk/New Wave. „Wir waren eine ziemlich asoziale Band“, erzählt Marotta, „nur die Electric Eels waren schlimmer. Wenn jemand im Publikum gute Laune hatte und auf die Bühne sprang, trat der Gitarrist ihn eher wieder da runter als ihn einfach tanzen zu lassen. Typische Künstler-Attitüde.“

1980 gingen Marotta und Klimek nach New York, wo sie mit neuer Styrenes-Besetzung weiterhin ausschließlich auf eigene Rechnung arbeiteten. Nicht ganz freiwillig: „Andere Cleveland-Bands wie Tin Huey oder die Waitresses hatten einen Vertrag abgestaubt, als die Plattenindustrie auf die Gegend aufmerksam wurde“, erinnert sich Marotta, „nur wir nicht. Wir gingen ins Studio, wenn wir Geld hatten, nahmen zwei, drei Stücke auf, ein paar Wochen später noch zwei usw.. Ein und dieselbe Besetzung war das eigentlich nie.“

Entsprechend unregelmäßig erschienen ihre Platten. Girl Crazy, das Debütalbum, kam 1982, das nächste erst sieben Jahre danach: A Monster And A Devil (wiederveröffentlicht 1998 auf All The Wrong People Are Dying) war eine textlich außerordentlich niederschmetternde Rock-Spoken-Word-Platte mit Ex-Pagans-Sänger Mike Hudson, einer weiteren Cleveland-Legende. 1991 erschien It’s Artastic (2002 mit Bonustracks wiederveröffentlicht als It’s Still Artastic), 1994 ein neues Mirrors-Album, Another Nail In The Coffin. Und wieder waren die Styrenes in der Obskurität verschwunden.

Als sie 1998 wieder auftauchten, machten sie genau da weiter, wo sie aufgehört hatten. We Care So You Don’t Have To, die neue Platte, zeigte eine raue, scheppernde Rockband mit Punk in den Venen und Kunst im Kopf, die mit dem sauberen corporate punk dieser Tage so gar nichts am Spaten hatte. Gitarrist Klimek, psychisch ausgebrannt, hatte das Handtuch geworfen („I went crazy“ meint er heute dazu) und wurde durch UK Rattay ersetzt. Marotta und Rattay, beides Musiker mit Jobs in der Plattenindustrie, trafen während der Musikmesse MIDEM in Cannes aufeinander. Es klickte, man jammte, und Rattay war drin.

Das nächste Album erschien zwar „schon“ 4 Jahre danach, war aber so untypisch, dass die treue Anhängerschaft ihre Band kaum wiedererkannte. Mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier spielten die Styrenes In C ein, eins der zentralen Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts, komponiert vom Minimalisten Terry Riley. Die internationale Kritik zeigte sich begeistert, der Name der Band machte bei einer ganz neuen Klientel die Runde.

Für City Of Women, das neueste Werk, das auf Rattays rent a dog-Label erscheint, hat Marotta das Klavier zugeklappt und spielt Rhythmusgitarre - „I like that, too“, meint er lakonisch und führt „logistische Gründe“ an. Eine echte Altherrenriege, in Jahren betrachtet, was der weltenmüden Garstigkeit des Styrenes-Sounds allerdings keinen Abbruch tut. Aber vielleicht den Ohrmuscheln des geneigten Hörers. Genießen wir es.

ROLF JÄGER

 


Diskographie:
The Styrenes/ City Of Women
rent a dog CD bone 3010-2
The Styrenes/ It’s Still Artastic
ROIR 8276 CD
The Styrenes/ Terry Riley’s In C
Enja 9435 CD
The Styrenes/ And Every Year, Christmas
Atta Disc CD Single
The Styrenes/ All The Wrong People Are Dying
Overground Trading (UK) CD Over74
The Styrenes/ We Care So You Don’t Have To
Scat Records Scat 63 LP & CD
The Styrenes/ One Fanzine Reader Writes b/w All The Wrong People Are Dying
DRAG CITY DC-108 12\"-45
Mirrors-Electric Eels-Styrenes/ Those Were Different
Times Scat Records CD and 3-10\"vinyl Box Set

Out of Print:
01/89    Hudson-Styrene/ A Monster And The Devil
LP Tinnitus 191305
08/82    Poli Styrene Jass Band/ Drano In Your Veins
Cassette/Trouser Press Guide to American Underground ROIR 124
07/82    The Styrenes/ Jaguar Ride on \"Cleveland Confidential-The LP\"
12\" LP Terminal Term 6
04/82    The Styrenes/ Jennifer Gymshorts; Exasperation b/w No Deposit No Return
7\"-45 Mustard Must 108
02/81 Charlotte Pressler w/The Styrenes/ True Confessions b/w True Confessions instrumental
12\"-45 Mustard 4002
07/80    The Styrenes/ Girl Crazy
12\"-LP Mustard MM 4401
10/77    Styrene Money Band/ Jaguar Ride; Everything Near Me b/w I Saw You
7\"-45 Mustard MM 103
02/77    Styrene Money Band/ Just Walking b/w Radial Arm Saws
7\"-45 Mustard MM 102
11/75    Poli Styrene Jass Band/ Drano in Your Veins b/w Circus Highlights
7\"-45 Mustard MM 101

 

 

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